Ursachen für Kirchenaustritte liegen tiefer!
Die große Zahl an Kirchenaustritten in der Katholischen Kirche konnte eigentlich niemand wirklich überraschen. Zwar ist mehr als eine halbe Million Austritte in 2022 ein neuer Höchststand, der jedoch in erster Linie den immer neu bekannt gewordenen Missbrauchsfällen und vor allem dem Vertuschen dieser Fälle durch Bischöfe geschuldet ist, der aber den schon seit vielen Jahren zu beobachtenden Trend bei den Kirchenaustritten nur bestätigt.
Es gibt sicher viele Ursachen dafür, dass sich Menschen von der Kirche abwenden und austreten. Eine Hauptursache ist allerdings die Kirche selbst, die schon lange mit ihrer Sprache, ihren Formen und autokratischen Machtstrukturen und ihrem Menschenbild die Menschen unserer Zeit nicht mehr erreicht, ja selbst zum größten Hindernis für den Glauben der Menschen geworden ist.
Ihr Festhalten an einem Menschenbild insbesondere im Hinblick auf ihre Sexualmoral und die Rolle der Frau in der Kirche ignoriert komplett sowohl die wissenschaftlichen Befunde der Theologie wie vor allem auch der Humanwissenschaften, u.a. der Sexualwissenschaft, Neurobiologie und der Psychologie. Auf die Menschen unserer Tage wirkt so die Kirche anachronistisch und obsolet.
Beim Umgang mit den Missbrauchsfällen und vor allem mit den Missbrauchsopfern haben die Bischöfe jegliche Reputation und Glaubwürdigkeit verloren, denn die amtlichen Vertreter der Kirche tun nicht das, was sie lehren und predigen und diskreditieren dadurch gleichzeitig auch ihren eigentlichen Sendungsauftrag, nämlich vom Reich Gottes in der Welt Zeugnis abzulegen.
Die Kirche befindet sich in der größten Krise seit der Reformation, und wenn Krisen auch Chancen sind, dann nur, wenn sich die Kirche auf den Weg zu Veränderungen macht im Sinne der Reformagenda des Synodalen Wegs.
Hans Thielmann